Die Illenau in Achern – von der Psychiatrie zum Kultur- und Begegnungsort

Wer kennt sie nicht, die Plätze der Kindheit, die – kehrt man erwachsen geworden zurück – ihre Magie verloren haben? Bei der Illenau ist es genau anders! Als Kind war die Illenau ein ziemlich abgerocktes, riesiges französisches Militärareal, umnebelt von diffusen Erklärungen und Geschichten, was da „vor den Franzosen“ war.

In der Teenager-Zeit zogen die französischen Streitkräfte ab und das Illenau Gelände war noch viel abgeranzter, die Gebäude gammelten vor sich hin. Ein Bäh-Ort, am besten ging man erst gar nicht in die Nähe. Eine „Geistervilla“, ein lost place, stand da und die örtliche Discothek, die an ihrem früheren Standort „Why Not“ hieß und dann nach dem Umzug in die Illenau passenderweise in „Psychiatrie“ umgetauft wurde.

Denn eine Heil-und Pflegeanstalt war der Gebäudekomplex, der im 19. Jahrhundert erbaut wurde, ursprünglich. In einer Zeit, in der man von „Irrenanstalt“ sprach und psychische und seelische Erkrankungen fragwürdig als „Geisteskrankheiten“ diagnostiziert und behandelt wurden, war man in der Illenau fortschrittlich: Tagesstruktur und therapeutische Angebote sorgten dafür, dass Patienten gesundeten und sich der gute Ruf der Anstalt weit in Europa verbreitete. Mit der Aktion T4 endete 1940 die ursprüngliche Bestimmung der Illenau. Die Geschichte der Anstalt, einiger ihrer Bewohner und der Entwicklung der Psychiatrie sind in einer Ausstellung exzellent aufgearbeitet.

In das Museum gelangt man durch das Illenau Arkaden Bistro, hier gibt es leckere selbstgemachte Kuchen und kleine Speisen, man sitzt schattig unter den Arkaden oder gemütlich im Innenhof. Des Weiteren kann man auf dem Gelände gut wohnen und arbeiten, von der Stadtverwaltung über zu mietende Eventräume bis hin zu privaten Wohnungen gibt es dort alles, ebenso Kultur- und Begegnungsstätten, handwerkliche Angebote und für wen jetzt noch nicht das Richtige dabei war, der schaut in den Veranstaltungskalender.

Die Illenau ist in perfekter Wanderdistanz zu Sasbachwalden oder Obersasbach. Umgeben von den Obsthainen am Fuße des Schwarzwalds. Wer nur einen kurzen Spaziergang machen mag, parkt kostenlos vor Ort, flaniert über die Anlage und, nach Kaffee und Kuchen im Bistro, einmal rund um das Areal, mit einem Abstecher zum Illenauer Friedhof. Eine parkähnliche Anlage, in der beschattet von alten Bäumen Adlige unter prächtigen Grabmalen und Namenlose unter verwitterten Holzkreuzen ruhen.

Wir haben den Besuch der Illenau endlich nach Corona in unseren Heimaturlaub als Programmpunkt aufnehmen können, nachdem wir schon dachten, wir hätten nun vor Ort alles erlebt und gesehen und irgendwann muss es doch langweilig werden... Wir entdecken doch immer wieder spannende Orte meiner Kindheit neu. Nachdem ich diesmal das erste Mal bewusst so wirklich in der Illenau war, gab es übrigens noch eine Premiere: ich war das erste Mal am Baggersee in Achern. Da war ich als Kind nämlich auch nie und wir wären auch diesmal nicht hingefahren, hätten wir nicht den tollen Tipp mit dem Rockabilly Festival dort erhalten. Danke Ralf B.!

Und noch ein Retro-Erlebnis darf nicht vergessen werden: das kleine Programmkino meiner Jugend, das Tivoli, gibt es auch noch! Die Sitze sind mittlerweile neu bezogen aber sonst ist alles wie früher. Hinten mit der Theke für die Knabbereien und ganz viel Beinfreiheit in den Logensitzen. Da war der Film, der lief, total egal.

Der nächste Urlaub ist schon geplant, abgesehen davon, dass wir wieder im Kloster Maria Hilf übernachten, haben wir noch nichts geplant. Aber uns fällt schon was ein, ins Nationalparkzentrum wollen wir auch nochmal, da haben wir auch noch nichts alles gesehen. Und für lecker Kaffee und Kuchen fahren wir dann einfach wieder den Berg runter in die Illenau. Und es ist so schön, dass „in der Illenau“ heute eine ganz andere Bedeutung hat wie vor 100 Jahren... 

Illenau, Pflege- und Heilanstalt in Achern
Illenau.

Arkaden Bistro in der Illenau
Leckeres Tortenangebot im Bistro.

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